3D Erfassung der Gedenkstätte U-Boot Bunker Valentin durch Luft-, Boden- und Unterwasserroboter (Valentin3D)

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Übersicht

Im Rahmen des Projekts “Valentin-3D” wird der Denkort U-Boot Bunker Valentin in Bremen durcih Luft-, Boden- und Unterwasserroboter digitalisiert. Dafür werden unterschiedliche Verfahren und Methoden verwendet. Für den Außenbereich werden Luftaufnahmen erstellt, die mit Photogrammmetrie für eine 3D Modellierung genutzt werden. Laserscans die mittels Registrierung und Simultaneous Localization and Mapping (SLAM) bearbeitet werden, werden überwiegen in den Innenbereichen verwendet. Für die Unterwasserbereich kommen Drohnen mit Kameras mit Lichtprojektionsverfahren sowie mit Sonar zum Einsatz. Herausforderungen für die Digitalisierung sind u.a. die Größe des Objekts mit teilweise schwer oder für Menschen gar nicht zugänglichen Bereichen, das Vorhandensein repetitiver Strukturen durch das Verwenden von u.a. Gussschablonen und Normteilen beim Bau, sowie das Vorhandensein großer, schwer zugänglicher Unterwasserbereiche.

Das Projekt ist eine interdisziplinäre Kooperation von Robotics und Contempory History an der Constructor University. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erdes (eHeritage) unterstützt.

Hintergrund

Der U-Boot Bunker „Valentin“ wurde von 1943 bis 1945 unter massivem Einsatz von Zwangsarbeitern errichtet. Der Bunker war das größte Rüstungsprojekt der deutschen Kriegsmarine und sollte für sie als U-Boot Werft fungieren. Geplant war die Produktion von U-Booten vom Typ-XXI. Allerdings kam es dazu nicht, da der Bunker vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht fertigstellt werden konnte. Täglich arbeiteten bis zu 12,000 Zwangsarbeiter auf der Bunkerbaustelle, und vielen von ihnen kamen dabei ums Leben. Es wurden 1,700 Tote registriert, allerdings gehen Schätzungen von  bis zu 2,000 bis 6,000 Toten aus. Die meisten der Arbeiter waren in verschiedenen Lagern in der Umgebung des Bunkers unter zumeist menschenunwürdigen Umständen untergebracht.

Der Bunker hat eine Länge von 426 m, eine Breite von 67 m  (Osten) bis 97 m (Westen) und eine Höhe von 30-33 m. Mit seiner Grundfläche von 35,375 m2 ist er der größte freistehende Bunker Deutschlands und der zweitgrößte in Europa nach dem im besetzten Frankreich errichteten U-Boot Bunker in Brest. Die mit 7 m dickem Deckenbeton und 4.5 m dicken Außenwänden gesicherten Innenräume umfassen 520.000 m3.

In der Umgebung des Bunkers befanden sich verschiedene Lager, von denen die Zwangsarbeiter täglich zur Baustelle gebracht wurden, bzw. über die sogenannte Lagerstraße zum Bunker gelangten. Darunter gehören z.B. ein Barackenlager der Marine für sowjetische Kriegsgefangene, ein Arbeitserziehungslager der Bremer Gestapo, das Konzentrationslager Farge, welches ein Außenlager des KZ Neuengamme war, sowie ein Lager für die zur Bewachung der Gefangenen eingesetzten Marinesoldaten.

Ergebnisse

Erfassungsplanung und Rohdatengenerierung

Für die Erfassungsplanung wurden unter anderem Baupläne des Bunkers gesichtet und digitalisiert. Darauf basieren werden die eigentlichen Rohdaten erhoben, d.h. Luftaufnahmen in Form von 2D Video durch ein Unmanned Aerial Vehicle (UAV), Aufnahmen des Innenraums in Form von 2.5D RGBD Laserscans und Aufnahmen der Unterwasserbereiche durch ein Umanned Underwater Vehicle (UUV). In der ersten Projektphase wurde ein Hauptaugenmerk auf die Übersichtserfassung gelegt.

Beispiele für Luftaufnahmen durch das UAV – hier Übersichtsaufnahmen des Bunkers
Beipiele für Aufnahmen in den Unterwasserbereichen des Bunkers
Beispiel für eine 3D Erfassung durch einen Laserscanner im Innenbereich des Bunkers
Der Innenbereich des Bunkers besteht aus sehr unterschiedlichen Bereichen, die teilweise sehr gut und teilweise sehr schwer zugänglich sind

Modellierung

Ansichten des 3D Modells von außen
Ansichten des 3D Modells des Innenbereichs

Im Projekt werden detaillierte 3D (Teil-)Modelle des Bunkers erstellt. Dabei kommen neben Standardverfahren und -werkzeugen auch eigene Beiträge und Methoden aus anderen Forschungsprojekten zum Einsatz, um mit einigen speziellen Herausforderungen des Bunkers umzugehen. Die im Projekt gewonnenen Daten und Modelle sind auf eine Verarbeitung und Analyse mit offener freier Software ausgelegt, um Dritten einen Zugang mit möglichst geringen Hürden zu ermöglichen.

Die vorhandenen Daten erlauben verschiedenen Formen der Analyse, bzw. der Darstellung baulicher und historischer Aspekte und Hypothesen. Dazu gehören z.B. semantische Annotationen bzgl. der geplanten Funktion von baulichen Gegebenheiten, Overlays mit digitalisierten Bauplänen oder Vermessungen.

Beispiele für semantische Informationen in Form von geplanten Verwendungen (Oben), Overlay mit einem funktionalen Bauplan (Mitte) oder einer Höhenkarte (Unten)

Eine Besonderheit im Projekt ist die Verwendung von Robotern zur Erkundung der unzugänglichen Unterwasserbereiche. Dazu gehören u.a. Kellerbereiche, für die es unklar ist, weshalb sie weiträumig geflutet sind, d.h. ob dies – z.B. durch die Alliierten oder später durch die Bundeswehr – bewusst in die Wege geleitet wurde, z.B. durch Öffnungen oder Durchbrüche, oder ob es sich um bauliche Mängel, bzw. Fehlplanungen handelt.

Mithilfe eines Lichtprojektionsverfahrens (Links) wurden die Größen von Backsteinen im gefluteten Kellerbereich maschinell vermessen (Mitte) und statistisch analysiert (Rechts), um ein historisches Datieren zu ermöglichen

Aufgrund der schlechten Sicht in diesen Bereichen ist eine Erstellung von Karten mit Sonar für die Orientierung notwendig. Unter Verwendung eines Lichtprojektionsverfahren konnten dann die Ziegelsteine von Mauern im gefluteten Keller vermessen werden. Angesichts der Änderungen bei den Normen für Ziegelgrößen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, liefert diese Information einige Hinweise auf den Zeitpunkt des Baus der Mauern, da es sich überwiegend um Ziegel im sogenannten Oldenburger Format handelt, das vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Gebrauch war.

Symposium

Im Rahmen des Projekts wurde auch das Symposium “Zeugnisse des Nationalsozialismus, digital – Projekte, Methoden, Theorien” im Dezember 2019 an der Constructor University veranstaltet. Informationen dazu finden sich hier.

Publikationen

Folgende projektbezogene Publikationen sind bisher erschienen:

Heiko Buelow, Christian Atanas Mueller, Frederike Buda, Arturo Gomez Chavez, and Andreas Birk. A Divide and Conquer Method for 3D Registration of Inhomogeneous, Partially Overlapping Scans with Fourier Mellin SOFT (FMS). IEEE International Conference on Robotics and Automation (ICRA). 2020

Frederike Buda, Arturo Gomez Chavez, Heiko Bülow, Julia Timpe, and Andreas Birk. 3D Digitization of the Bunker “Valentin”: Methods, Challenges and Possibilities. 1st Conference on Data for History 2021: Modelling Time, Places, Agents. Berlin, May 19 – June 30, 2021

Julia Timpe and Frederike Buda (eds). Writing the Digital History of Nazi Germany: Potentialities and Challenges of Digitally Researching and Presenting the History of the “Third Reich”, World War II and the Holocaust, ISBN: 9783110714623, 2022

Andreas Birk, Frederike Buda, Heiko Bülow, Arturo Gomez Chavez, Christian A. Müller and Julia Timpe. Digitizing a Gigantic Nazi Construction: 3D-Mapping of Bunker Valentin in Bremen. Writing the Digital History of Nazi Germany, De Gruyter, 2022

Andreas Birk, Frederike Buda, Tim Hansen. Dating Wall Constructions from Brick Sizes in the Flooded Basement of a WW-II Submarine Bunker for the Digitization of Cultural Heritage. IEEE OCEANS, Limerick, 2023

Tim Hansen, Frederike Buda, Andreas Birk. Underwater Exploration with Sonar of the Flooded Basement of a WW-II Submarine Bunker in the Context of Digitization of Cultural Heritage. IEEE OCEANS, Limerick, 2023

Tim Hansen and Andreas Birk. Using Registration with Fourier-SOFT in 2D (FS2D) for Robust Scan Matching of Sonar Range Data. International Conference on Robotics and Automation (ICRA), London, UK, IEEE Press, 2023

Nutzung der Daten

Die in dem Projekt erstellten Daten sind unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial (CC BY-NC) Lizenz für die Forschung frei zugänglich. Ein Überblick sowie ein Zugang zu den Daten ist hier verfügbar. Bitte beachten Sie bei einer möglichen Nutzung der Daten den historischen Hintergrund des Bunkers.